Value-added Services Value-added Service aus rechtlicher Perspektive
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Ein- und Verkäufer aus Industrie, Handel und Logistik sollten sich vor einem Vertragsabschluss mit der Frage beschäftigen, welche Anspruchsgrundlage für welche Services greift, um unerwünschte finanzielle Überraschungen im Schadensfall zu vermeiden. Der nachfolgende Beitrag soll dabei Unterstützung aus Vertrags-, Risiko-, Haftungs- und Versicherungssicht bieten.

Die meisten Spediteure offerieren ihre Angebote, zum Beispiel über klassische Transportservices von A nach B, auf der Grundlage der Allgemeinen Deutschen Spediteur-Bedingungen (ADSp) in der neuesten Fassung 2017. Der Artikel 2 ADSp2017 regelt, dass diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für alle „Verkehrsverträge“ Anwendung finden, soweit es sich um Verträge handelt, die der Spediteur im B2B mit dem Einkäufer aus Industrie, Handel und Logistik schließt. Im B2C-Sektor gelten die ADSp2017 nicht, wenn es um Transportverträge mit Konsumenten im Sinne des § 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geht. Darüber hinaus gelten die ADSp2017, wenn der Kontraktlogistiker Lagerhaltung im Auftrag des Einkäufers erbringt. Außerdem erfassen die ADSp2017 bestimmte Value-added Services (VAS), zum Beispiel wenn der Kontraktlogistiker im Auftrag seiner Kunden Verpackungsarbeiten erledigt. Zudem sind Spezialtransporte wie Groß- und Schwerguttransporte und damit verbundene Kran- und Montagearbeiten ebenfalls von diesen AGB erfasst.
Wichtige Transportversicherung
Tipp: Der Einkäufer sollte immer, zum Beispiel bei einem Überseegeschäft, das er FOB einkauft, sicherstellen, dass insbesondere für das Seetransportrisiko eine Transportversicherung im Schadensfall zur Verfügung steht, die er im Übrigen als zusätzliche Dienstleistung via seinen Spediteur beschaffen lassen könnte.
Das Aufgabenbild des Spediteurs hat sich in den letzten 20 Jahren sehr stark verändert, denn das Einkaufsvolumen des Einkäufers hat sich signifikant erhöht. Dies liegt daran, dass sich viele Unternehmen ausschließlich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren, wozu nicht immer die Logistik zählt. Deshalb haben viele Spediteure ihre Servicepalette um logistische Leistungen erweitert. Dazu gehören Call-Center-Funktionen, Aufbereitung von Textilien, Reparaturarbeiten und Qualitätskontrollen, Preisauszeichnung für Handelsprodukte, Regaldienstleistungen im Handel, Verwertung von Verpackungen. Außerdem das Informationsmanagement (Control Tower), dies in der Kapazität eines 4PL (Fourth-Party Logistics). Die vorstehenden VAS decken die Logistik-AGB 2019 ab.
Ein- und Verkäufer von VAS sollten Produkthaftpflichtgesetz beachten
Risikotipp: Der Einkäufer aus Industrie und Handel sollte wissen, welche möglichen Schäden, die sich aus der mangelhaften Umsetzung von VAS ergeben könnten, gegebenenfalls nicht innerhalb bestehender Versicherungspolicen gedeckt sind. Der Kontraktlogistiker aus der Logistik sollte die gleiche Prüfung unternehmen. In jedem Fall brauchen beide Parteien, das heißt Ein- und Verkäufer von VAS, eine Commercial General Liability, die den Deckungsbaustein nach dem Produkthaftpflichtgesetz einschließt.
Es liegt in der Natur der Sache, dass, wo Menschen arbeiten, Fehler passieren, die auch in Großschadensfällen enden könnten. Die Logistikbranche ist eine „People Industry“, ohne die keine Güter in die Regale kommen. Wenn der Schadensfall eintritt, zum Beispiel weil eine Ladung Mobiltelefone aufgrund eines Diebstahls im Transit nicht beim Empfänger ankommt, ist meistens der Sachverhalt unstreitig. Oft ist unter den Streithähnen allerdings unklar, auf welcher Anspruchsgrundlage der Schaden abzuwickeln ist, das heißt, in welcher Höhe der Spediteur oder Logistikdienstleister für die eingetretene und vom Einkäufer aus Industrie und Handel nachgewiesene Schadenshöhe einzugestehen hat. Dies ist ein Risiko, das die Parteien aus Industrie, Handel und Logistik nicht unterschätzen sollten. Insbesondere für den Verkäufer von Value-added Services könnte diese Unsicherheit in einem unbegrenzten Schadensersatz enden.
Service Provider haftet beschränkt
Das vorstehende Risiko ist damit begründet, dass der Logistiker immer dann unbeschränkt für VAS nach den anzuwendenden Bestimmungen des Dienstleistungs- oder Werkvertragsrechts des BGB haftet, wenn er sich auf die Haftungsbedingungen, zum Beispiel gemäß Artikel 14.2.3 Logistik-AGB 2019, nicht erfolgreich berufen könnte. Der Artikel 14.2.3 Logistik-AGB 2019 regelt, dass sich die Haftung des Service Providers „bei anderen als Güterschäden“ auf 20.000 Euro pro Fall begrenzt. Bei „anderen als Güterschäden“ handelt es sich zum Beispiel um Vermögensschäden.
Aus Sicht des Einkäufers besteht das Risiko, wenn er die Haftungsbegrenzungen nach den Bestimmungen der Logistik-AGB 2019 nicht kennt, dass er im Schadensfall unzufrieden ist, wenn er nur einen Teil des entstandenen Schadens erstattet bekommt, was sich belastend auf sein Budget auswirkt.
Für den Schadensfall sollten die Anspruchsgrundlagen klar sein
Deshalb ist es aus Sicht des Einkäufers umso wichtiger, dass er sich zum einen völlig im Klaren darüber ist, welche Anspruchsgrundlage im Schadensfall greift, sowie zum anderen, ob er im Schadensfall ausreichend versichert ist, bevor er einen Transport- und/oder VAS-Vertrag schließt. Der vorstehende Versicherungsaspekt ist von großer Bedeutung für den Einkäufer, denn nicht immer haftet der Spediteur oder VAS-Servicedienstleister für den eingetretenen Schaden.
Zum Beispiel deshalb nicht, weil sich der Fixkostenspediteur, der einen intermodalen Transport im Auftrag des Einkäufers managt, erfolgreich auf ein Ereignis von höherer Gewalt nach Artikel 12 ADSp2017 berufen kann, weil ein Land plötzlich und unvorhersehbar seine Grenze schließt – infolge dessen der vereinbarte Liefertermin vom transportausführenden Frachtführer nicht einzuhalten ist und daraus ein Vermögens- und Güterschaden hervorgeht. Einen Haftungsausschluss für Schäden aufgrund höherer Gewalt, zum Beispiel eine Cyberattacke, die das Informationsmanagement des 4PL für etliche Tage komplett lahmlegt, ist in Artikel 6 Logistik-AGB 2019 verankert. ■
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