Porträt 65 Jahre kommen „Bullis“ aus Stöcken

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Vor genau 65 Jahren rollte der erste VW Bulli im nordwestlich gelegenen Hannoveraner Stadtteil Stöcken vom Band. Gebaut wird das Allround-Talent allerdings schon seit 1950 – und es ist alles andere als bereit für die Rente.

Die Produktion des T1 begann 1950 im VW-Werk in Wolfsburg.
Die Produktion des T1 begann 1950 im VW-Werk in Wolfsburg.
(Bild: VW)

Weil der Platz im Wolfsburger Stammwerk nicht mehr ausreichte – der Käfer war 1955 das bestverkaufte Fahrzeug und seine raumgreifende Produktion hatte im Lauf des Jahres die Millionengrenze geknackt –, entschloss sich die Konzernleitung zum Bau eines komplett neuen Transporterwerks. Das Rennen unter den 235 Städten und Gemeinden, die sich damals um die Industrieansiedlung beworben hatten, machte am Ende Hannover. Hauptverantwortlich für die Standortwahl war Heinrich Nordhoff, Generaldirektor der Volkswagen GmbH und späterer Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG. Er konnte den Aufsichtsrat für den von ihm favorisierten Standort Hannover gewinnen. Die unmittelbare Nähe zum Mittellandkanal und ein bestehender Verschiebebahnhof waren seine zugkräftigen Argumente. Seitdem sind in Hannover-Stöcken über 9 Millionen Bullis vom Band gelaufen.

Der Weg ist das Ziel!

Ich durfte zwar nicht Zeitzeuge des „Start of Production“ sein (weder in Wolfsburg noch in Hannover), aber doch einen guten Teil der Entwicklung dieses Transportfahrzeugs mit Kultstatus begleiten – vielmehr haben drei Ausprägungen dieses Bullis mich begleitet. Der Original-Bulli, der mit der geteilten Frontscheibe, hat es nicht ganz in mein Repertoire geschafft, da durfte ich als Dreikäsehoch nur mitfahren. Mein erster T2, jetzt mit großen Fensterflächen und einteiliger Windschutzscheibe, den ich selbst steuern durfte, kam von der Polizei. Dort ausgemustert, war er bei jungen Portugalfahrern wie meinen Kumpels und mir aber heiß begehrt ob der für Studenten günstigen 1.200 DM, die von der staatlichen Verwertungsstelle damals aufgerufen wurden. Unser Reisebegleiter holte aus dem 1,6-l-Vierzylinder-Motörchen immerhin 50 PS raus, die das Gefährt auf akzeptable 110 km/h beschleunigten. Je voller unser T2 aber wurde, desto mehr Tribut musste man der für heutige Verhältnisse dezenten Untermotorisierung zollen. Aber welchen Studenten mit kleinem Geldbeutel interessieren denn solch weltliche Dinge wie Pferdestärken, Beschleunigung oder Höchstgeschwindigkeit? Beim VW-Bus ist der Weg das Ziel!

Was soll ich sagen: Nummer zwei war dann doch etwas anspruchsvoller, man könnte auch sagen: Das Runde wird zum Eckigen (Spötter sollen den T3 heute noch als Kastenwagen verunglimpfen). Das Modell hatte aber immerhin schon Wasserkühlung und eine Heizung, die ihren Namen auch verdiente. Den T3 im Firmendesign hatte ich mir, kaum war er sieben Jahre im Dienst bei meinem Arbeitgeber und der „Absetzung für Abnutzung“ (Abschreibung) anheimgefallen, für schlappe 4.000 DM zugelegt. Verglichen mit der bisher gewohnten käferbasierten Konstruktion seiner beiden Vorgängermodelle war der T3 bedeutend größer (60 mm mehr Radstand) und breiter (125 mm), Fahrerhaus und Laderaum boten erheblich mehr Platz. So viel, dass ich mich zum nachträglichen Einbau einer Sitz-/Liegebank entschloss. Mit der Kiste fuhren meine Frau und ich dann sogar auf Hochzeitsreise zum Lago Maggiore.

Kleiner Zeitsprung: Weil aller guten Dinge bekanntlich drei sind, musste kurz nach der Geburt unseres zweiten Kindes, als die Sitzplätze im Pkw mit Kindern und Schwiegereltern einfach nicht mehr ausreichten, ein Sechssitzer her. Ein Diesel, mit 102 Pferdestärken unter der Haube (diesmal vorne) und mit genügend Platz, um andere Eltern trefflich zu ärgern: Wenn die nach absolviertem Babyspaziergang ihre liebe Mühe damit hatten, den Kinderwagen auf ein erträgliches Maß zusammenzufalten, damit er in den winzigen Kofferraum ihres Pkws passte, nahm ich kurzerhand das ganze Gefährt und verfrachtete es einfach in den Innenraum meines T4. Schiebetür zu – fertig. Überhaupt war der Multivan in Indienblau – außer den Kids natürlich – der ganze Stolz der jungen Familie und wurde kräftig bewegt. So kräftig, dass nach zwölf Jahren die komplette Abgaseinrichtung erneuert werden musste. Geschlagene 17 Jahre haben wir uns die Treue gehalten, bis die Jugend „begleitetes Fahren“ praktizieren durfte und ein Großraumfahrzeug nicht länger nottat.

Konventionell, hybrid und elektrisch

An dieser Stelle sei mir ein Wort zum Thema Wertstabilität gestattet: Rund ein halbes Jahr, nachdem ich den „jungen Erwachsenen“ beim Premiumhersteller mit der Niere in Zahlung gegeben hatte, rief mich der Nachbesitzer meines T4 an. Er wollte die Reparaturbelege haben, die sich im Lauf meiner 17-jährigen Nutzung angesammelt hatten. Im Gegenzug verriet er mir, was er für den Multivan auf den Tisch gelegt hatte: 8.900 Euro. Ok, scheckheftgepflegt, aber trotzdem leicht überteuert, wie ich finde.

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Zeitleiste
Entwicklung

1950: SOP des T1 1.1 im Wolfsburger Werk.

1956: Am 8. März 1956 beginnt die Fertigung in Hannover-Stöcken.

1967: Mit dem T2a kommt die zweite Generation des Transporters.

1979: Der T3 glänzt im komplett neuen Design.

1990: Der T4: eine ganz neue Transportergeneration.

2003: Start der Premiumbaureihe T5.

2015: Der T6 (und 2019 der T6.1) erblickt das Licht der Welt.

Wie es sich im T5 ff. fährt, kann ich nicht aus eigener Erfahrung, sondern rein interessehalber nur aus gelegentlicher Lektüre einschlägiger Zeitschriften sagen, denn mit dem T4 ist meine Bulli-Geschichte (vorerst) beendet. Wobei: Die Premiumbaureihe T5 (ab 2003) und insbesondere der T6 von 2015 und sein upgedateter Bruder T6.1 (2019) stellen ja dessen Weiterentwicklung in die Epoche der Digitalisierung dar. Wäre schon interessant, da einzusteigen. Mit dem Start des neuen Multivan in diesem Jahr und dem ID. BUZZ (2022) kommen dann Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb, Plug-in-Hybride oder mit reinem E-Antrieb aus Hannover.

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