Porträt Da steckt Dampf dahinter!
Die Wurzeln des Intralogistikexperten Dematic reichen zurück bis zu einem der Pioniere des deutschen Maschinenbaus: Die am 18. September 1819 gegründete Mechanische Werkstätten Harkort & Co. gehört zu den ersten Unternehmen, die in Deutschland Dampfmaschinen herstellten.
Anbieter zum Thema

Unter Studenten ist ein Auslandssemester heute schick und gehört in jeden ordentlichen Lebenslauf. Ganz so neu, wie manche der Weltbereisenden denken, ist die Idee des bildenden Auslandsaufenthaltes allerdings nicht. Der Pfarrerssohn Johann Heinrich Daniel Kamp beispielsweise weilte schon 1815 zur Ausbildung im schottischen Glasgow. Zwar war Kamp kein Maschinenbauer, sondern Bankier, dennoch verstand er sofort, welche Auswirkungen die in Großbritannien heraufziehende industrielle Revolution haben würde. Die Faszination für die Macht und Kraft der Dampfmaschinen, die er dort erstmals zu Gesicht bekam, sollte ihn noch lange begleiten und lebt noch heute in einigen Unternehmen fort, darunter dem Intralogistikexperten Dematic, der seinen Deutschlandsitz heute in Heusenstamm bei Frankfurt hat.
Aber reisen wir zunächst einmal nach Wetter an der Ruhr und damit zu den Anfängen des deutschen Maschinenbaus. Hier nämlich gründete Kamp gemeinsam mit Friedrich Harkort 1819 in den Ruinen der Burg Wetter oberhalb der Stadt ihr Unternehmen zunächst als mechanische Werkstätten „Harkort & Comp“. Schon aufgrund der etwas problematischen Zufahrt ist eine Burg natürlich nicht der ideale Standort für einen der ersten Produzenten von Dampfmaschinen in deutschen Landen, aber der aufgerufene Preis von 2000 Talern war so niedrig, dass der Bankier nicht widerstehen konnte. Auch wenn Kamps und Harkorts Unternehmen schon lange nicht mehr in seiner urspünglichen Form existiert, ganz verschwunden ist das Erbe der beiden Pioniere nicht, wie Barbara Wladarz, Deutschlandchefin von Dematic, berichtet: „Der ,lange Heinrich‘ wurde 1915 als Schwimmkran in Wilhelmshaven eingesetzt, dort galt er auch lange als Wahrzeichen der Stadt mit seiner Höhe von über 80 m. Nach langen Wirren um seinen Standort und seine Besitzer steht er noch heute, und zwar im Genueser Hafen. Diesem Kran wurde gar ein ganzes Buch gewidmet.“
Der Geist der Gründerzeit
In einer Periode, die wir in der Nachbetrachtung als „Gründerzeit“ bezeichnen, ist es wenig verwunderlich, dass Kamp und Harkort nicht die einzigen waren, die sich mit zukunftsweisenden Technologien einen Namen machten. Zu den Besonderheiten von Dematic gehört es, dass das Unternehmen gemeinsam mit der ebenfalls in der Intralogistik beheimateten Demag gleich eine ganze Reihe dieser Gründer zu seinen Ahnen zählt. Dazu gehören unter anderen die 1890 von den Brüdern Max und Reinhard Mannesmann gegründeten Mannesmann Werke und die 1900 in Offenbach gegründete Firma Stöhr Förderanlagen, die sich auf die Herstellung von Stetigförderern, Elevatoren und Becherwerken spezialisierte. Stöhr kann man wohl als eigentlichen geistigen Vorfahren von Dematic bezeichnen, wie Wladarz’ Kommentar zeigt: „Die Dematic ist im Herzen immer noch ein Offenbacher Unternehmen. Das spürt man auch, wenn man hier über die Gänge streift. Über die Jahre sind aber weitere Kulturen zu uns gestoßen, sei es regionaler Art oder durch andere Unternehmenskulturen. Diese Kulturen gehören zur Dematic dazu und bereichern uns auch.“
Während sich Harkort & Co. 1910 mit einigen anderen Unternehmen zur Deutschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft (Demag) zusammenschließt, bleibt Stöhr zunächst unabhängig und wird ab 1920 von Paul Salzer, der als Gesellschafter in das Unternehmen einsteigt, geprägt. Unter seiner Leitung entwickelt sich Stöhr vom Meisterbetrieb zu einem international tätigen Industrieunternehmen mit Serienproduktion. Zu den Innovationen dieser Zeit gehören die erste hängende Fördertechnik und das weltweit erste mobile Förderband.
Der Aufbruch nach dem Krieg
Wie für jedes deutsche Unternehmen brach für Stöhr nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine neue Zeitrechnung an. Der Firmensitz wurde fast völlig zerstört und was von den Anlagen übrig blieb 1948 demontiert. Doch auf eine Ressource konnte sich Firmenchef Salzer verlassen: die Mitarbeiter. Diese bleiben dem Unternehmen treu und helfen beim Wiederaufbau. Unter anderem werden aus verrosteten und verbrannten Maschinen mit viel Mühe wieder brauchbare Anlagen gebaut. Wie auch Demag ist Stöhr in den 50er-Jahren bereits wieder auf dem Weg nach oben und präsentiert 1959 das weltweit erste Regalbediengerät – eine Revolution in der Intralogistik.
1970 kommt es dann zur Übernahme von Stöhr durch Demag, wodurch ein Gesamtanbieter für Beförderungstechnik und Beratung entsteht. Bereits 1973 wächst das Unternehmen durch den Zusammenschluss mit Mannesmann. Nur drei Jahre später folgt der nächste Meilenstein in der Unternehmensentwicklung: Demag Mannesmann errichtet das weltweit erste automatisierte Hochregallager und verändert so die Bauweise von Distributionszentren. Der Name Dematic taucht dann 1997 zum ersten Mal als Mannesmann Dematic AG auf und die gemeinsame Entwicklung mit Demag endet. Im Jahr 2000 übernimmt Siemens das Unternehmen und es kommt zur Umfirmierung in Siemens Dematic AG, aus der 2005 die Dematic-Unternehmensgruppe entsteht. Trotz dieser bewegten Geschichte blieb der Geist des Unternehmens Wladarz zufolge immer bestehen: „Ja, wir haben eine Reihe von wechselnden Inhabern gehabt – alle diese Inhaber haben aber nichts am Sein der Dematic geändert. Das Angebot der Lösungen und Produkte der Dematic hat sich sehr wohl sehr konsequent immer in die gleiche Richtung weiterentwickelt.“ Heute steht das Unternehmen, das seine Wurzeln in der Gründerzeit um 1900 hat, vor einer neuen, digitalen Gründerzeit und sieht sich, auch dank einiger Zukäufe im Bereich Software und Automation, für die Zukunft gut gerüstet.
(ID:44270581)