Lastenräder Gewerbliche E-Cargo-Bikes sind stark im Kommen

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103.200 Lastenräder wurden 2020 in Deutschland verkauft, 25 Prozent mehr als im Vorjahr – Tendenz: weiter steigend. Je nach Transportgut lassen sich die Cargo-Bikes mit Boxen, verschließbaren Kisten oder auch Kindersitzen ausrüsten. Nach einem Jahr kreativer Pause haben wir wieder einige der Lastesel für Sie unter die Lupe genommen ...

Zusammen, was zusammengehört: Das Lastenrad Tern GSD von Tern (Taiwan) vor klimafreundlichen, weil CO2-neutralen Holzscheiten.
Zusammen, was zusammengehört: Das Lastenrad Tern GSD von Tern (Taiwan) vor klimafreundlichen, weil CO2-neutralen Holzscheiten.
(Bild: Maienschein)

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. (ADFC) wird nicht müde, die seiner Meinung nach unzureichenden Maßnahmen der Bundesregierung für den Radverkehr zu kritisieren. Und auch der Expertenrat für Klimafragen äußerte Ende August deutliche Kritik am Bundesverkehrsministerium zu dessen kurzfristigem Klimaschutz-Sofortprogramm für den Verkehrssektor. Nach Einschätzung des Rats könnte der Ausbau des Radverkehrs gemeinsam mit dem Fußverkehr das höchste CO2-Einsparpotenzial bringen, gleichzeitig würden die vom Ministerium beschriebenen Maßnahmen aber bei Weitem nicht ausreichen. Es geht auch anders: Gewerblich genutzte E-Cargo-Bikes fördert ein anderes Ministerium, nämlich das für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, immerhin mit bis zu 2.500 Euro.

Das Tern-Lastenrad lässt sich bei Platzmangel hochkant „parken“ – sogar elektrisch unterstützt.
Das Tern-Lastenrad lässt sich bei Platzmangel hochkant „parken“ – sogar elektrisch unterstützt.
(Bild: Maienschein)

Auch neu: Frankfurt am Main ist jetzt das Fahrradmekka. Seitdem die Eurobike in diesem Jahr von Friedrichshafen am Bodensee an den Main umgezogen ist, steht der Leitmesse der Fahrradindustrie sozusagen die Welt offen: mehr Ausstellungsfläche, mehr Übernachtungsmöglichkeiten für Besucher und Aussteller, ein internationaler Flughafen in nächster Nähe – und man kann sogar mit dem Rad zur Messe fahren. Ich habe es mir etwas bequemer gemacht und die drei Testräder, über die unter anderem in diesem Beitrag berichtet wird, auf den Hof der Vogel Communications Group in Würzburg bestellt, um aufzusteigen.

Infrastruktur liegt im Argen

Im Gegensatz zu bekannten Fahrradnationen wie Dänemark oder den Niederlanden steht hierzulande bei der Infrastruktur noch das Auto klar im Mittelpunkt. Radfahrende, vor allem diejenigen, die meist von Berufs wegen mit dem Lastenrad unterwegs sind, haben im Straßenverkehr oft das Nachsehen.

Man merkt im Prinzip nicht, dass man auf einem Lastenrad sitzt: das „Loden One“.
Man merkt im Prinzip nicht, dass man auf einem Lastenrad sitzt: das „Loden One“.
(Bild: Königsreuther)

Dabei gibt es insbesondere bei der Fahrradinfrastruktur immer Raum für Verbesserungen, unabhängig davon, ob Menschen auf „normalen“ oder auf breiteren beziehungsweise extrem langen Rädern unterwegs sind. Annika Gerold jedenfalls, Bezirksstadträtin für Verkehr, Grünflächen, Ordnung und Umwelt in Berlin-Friedrichshain/Kreuzberg, setzt sich dafür ein, geschützte Radfahrstreifen einzurichten, die breit genug sind, dass auch Lastenräder dort genügend Platz haben. „Wichtig ist eine gute Lösung für alle“, so die Politikerin.

All-in-one-Vehikel für alles

Lassen Sie uns bei der Betrachtung einiger dieser Lastenräder mit dem „Loden One“ beginnen, auf dem ich rechts oben im Bild Platz genommen habe. Eines vorneweg: Das „Loden One“ ist kein typisches Lastenrad mit großem Kofferaufbau, wie man es sich vorstellt, wenn das Wort „Last“ zusammen mit „Rad“ fällt. Vielmehr hatte ich da ein All-in-one-Vehikel zwischen den Beinen, das für Fahrende gedacht ist, die mit ihm alles können wollen: pendeln, kleine Einkäufe besorgen, die Kinder zur Schule bringen und andere Dinge des täglichen Lebens.

Ist Deutschland fahrradfreundlich?

Am 1. September ist der „Fahrradklima-Test“ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs e. V. (ADFC) gestartet. Bis zum 30. November läuft auf fahrradklima-test.de eine Umfrage, wie fahrradfreundlich Deutschlands Städte und Gemeinden wirklich sind – der bereits zehnte Test dieser Art. Die Lobbyvereinigung bittet alle Radfahrenden und Radbegeisterten, ihr Radklima vor Ort zu bewerten. Umso mehr Teilnehmende abstimmen, umso aussagekräftiger sind die Ergebnisse für die einzelnen Städte und Kommunen.

Und so fährt sich das „One“ auch: wie ein ganz normales Elektro-Bike mit perfekter Balance zwischen Größe, Flexibilität und Leistung. Seine Gepäckträger vorne und hinten lassen sich mit Modulkörben oder Packtaschen dem Bedarf anpassen. Die pannensicheren E-Bike-Reifen von Schwalbe sorgen für eine ruhige Fahrt auch auf etwas holprigen Straßen. Sollen Pakete transportiert werden, empfiehlt sich die Mitnahme von Gepäckspannern. Zwischenfazit: ein ordentliches, solide aufgebautes Velo für den kleinen Transportalltag.

Erstmals waren Cargo-Bikes in großem Stil in der Cargo Area auf der Fachmesse Eurobike in Frankfurt am Main zu sehen.
Erstmals waren Cargo-Bikes in großem Stil in der Cargo Area auf der Fachmesse Eurobike in Frankfurt am Main zu sehen.
(Bild: Eurobike /Jean-Luc Valentin)

In etwa in die gleiche Kerbe, nur eine Oktave höher angesiedelt, schlägt das ultrastabile Tern GSD (siehe Aufmacher). Beinahe hätte ich das möglicherweise größte Feature dieses Elektro-Transporters übersehen: Eine Gebrauchsanweisung für ein Fahrrad – wer braucht denn so was? Ich, muss ich unumwunden zugeben! Und ich staunte nicht schlecht, als da schwarz auf weiß geschrieben stand, dass man das Fahrrad zwar nicht auf den Kopf, so aber doch auf seine Hinterfüße stellen kann (siehe Bild vorne). Wobei: „Hinterfüße“ ist angesichts der beiden Auflagestummel am Ende des hinteren Gepäckträgers leicht übertrieben – es braucht schon eine sehr ebene Fläche, um das Rad platzsparend in die Senkrechte zu bringen. Apropos bringen: Mit ein wenig Geschick klappt das ohne Kraftaufwand, sogar relativ einfach unterstützt von dem Bosch-Cargo-Line-Antrieb mit 85 Newtonmetern Drehmoment, der auch im Betrieb für ein geschmeidig-natürliches Fahrgefühl mit einem Unterstützungsgrad von bis zu 400 Prozent sorgt.

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Senkrecht parken spart richtig Platz

Überhaupt fährt sich auch das kompakte Tern GSD, das es in drei Modellvarianten gibt, ebenfalls wie ein ganz normales Fahrrad – so lang beziehungsweise eigentlich kurz ist es auch. Mit 200 Kilogramm zulässigem Gesamtgewicht hat es das Zeug, ein Auto zu ersetzen. Dank serienmäßiger Dual-Battery-Technik ist seine Reichweite gut für einen langen Ausliefertag im Sattel. Und weil es sich sowohl flachfalten als auch senkrecht parken lässt, ist der Umgang mit dem Lastenvelo sehr bedienerfreundlich.

Das „Zero-Emission Cargo Bike for Smart Cities“ (ZEC-Bike) ist ein elektrisches Kleinkraftrad, das bis zu 100 Kilogramm Nutzlast tragen kann.
Das „Zero-Emission Cargo Bike for Smart Cities“ (ZEC-Bike) ist ein elektrisches Kleinkraftrad, das bis zu 100 Kilogramm Nutzlast tragen kann.
(Bild: Elvira Eberhardt)

Das „Cockpit“ lässt sich sekundenschnell und ohne Werkzeug an die Größe der unterschiedlichsten Fahrerinnen und Fahrer anpassen – von 150 bis 195 Zentimetern. Mit seiner speziellen Rahmengeometrie hat das Tern GSD ein sehr stabiles Fahrgefühl bei mir hinterlassen, auch als ich mit vier größeren Paketen beladen gefahren bin (siehe Aufmacher). Dank des relativ tiefen Durchstiegs ist mir das Auf- und Absteigen auch im beladenen Zustand relativ leicht gefallen. Daumen also hoch!

Zero-Emission Cargo Bike for Smart Cities

Nicht mehr rechtzeitig hat es das superprofessionelle „ZEC-Bike“ im Long-Tail-Format in mein Bewusstsein geschafft, um es von Ulm zu einer Probefahrt nach Würzburg zu lotsen. „ZEC“ steht für „Zero-Emission Cargo Bike for Smart Cities“ und beschreibt ein elektrisches Kleinkraftrad, das bis zu 45 Kilometer pro Stunde abflitzt und einfach, bequem und sicher Nutzlasten bis 100 Kilogramm transportieren können soll. „ZEC“, das weltweit erste elektrische Lastenkraftrad mit Schnellladefunktion und Rekuperation, ist das Resultat eines vierjährigen Forschungsprojekts. Das 3 Meter lange und 170 Kilogramm schwere Gefährt ist Produkt der Zusammenarbeit des Ulmer Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik. Mitantragsteller für die rund 1 Million Euro Forschungsgelder ist das Institut für Fahrzeugkonzepte des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR-FK). Außerdem beteiligt war die Biberacher Firma EMB-Elektromaschinenbau GmbH. „Emissionsfreie Kurierfahrten durch die engen Straßen einer Altstadt, umweltfreundlicher Abtransport von Grünschnitt im Stadtpark oder die platzsparende Anlieferung von gekühlten Lebensmitteln zum Marktplatz – all das könnte bald möglich sein mit dem neuen elektrischen Lastenkraftrad“, sagt Dr. Michael Buchholz, Forschungsgruppenleiter am Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik. „Durch den tiefen Schwerpunkt bleibt das Lastenrad auch bei hohen Geschwindigkeiten stabil, was die Handhabung vereinfacht und zugleich die Fahrsicherheit erhöht“, so EMB-Geschäftsführer Markus Schmitz.

Lastenradlogistik aus wissenschaftlicher Sicht

Das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart hat in enger Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) eine Tourenplanungs-Software für die Lastenradlogistik konzipiert und umgesetzt. Das Ganze deswegen, weil ein wirklich intensiver Einsatz von Cargo-Bikes nur dann gelingen kann, wenn bestehende logistische Prozesse an die Spezifika des Lastenrades angepasst würden, ist man sich beim IAO sicher. Bei der Planung von Lastenradtouren beispielsweise müsse mit verringerten Transport-kapazitäten, einer veränderten Streckenführung und verminderten Reichweiten gerechnet werden. Die speziell an die Bedürfnisse der Lastenradlogistik angepasste Tourenplanungs-Software wurde innerhalb des Verbundprojekts „SmartRadL“ entwickelt – Projektlaufzeit 33 Monate.

Um die Markteinführung des „ZEC“ zu beschleunigen, haben die Forschenden nach geeigneten Geschäftsmodellen gesucht und sie untersucht. Die Ladefläche des E-Cargo-Bikes, das für eine Nutzlast von bis zu 100 Kilogramm ausgelegt ist, wurde an das Format von Euro-Behältern (Grundfläche 60 Zentimeter × 40 Zentimeter) angepasst. Große Potenziale sieht das ZEC-Projektteam in der Kurier-, Express- und Paketbranche: vom gewerblichen Lieferdienst über den privaten Lastentransport bis zur kommunalen Nutzung. Für die verschiedenen Zielgruppen wurden auch unterschiedliche Finanzierungsmodelle durchgespielt. Ich will hoffen, dass bei meinem nächsten Cargo-Bike-Test – aller Voraussicht nach 2024 – mehr als nur die derzeit verfügbaren beiden Fahrzeugdemonstratoren zur Verfügung stehen!

Alltagsabenteurer für zwei

Und auch das gibt es nicht nur bei Automobilen, sondern auch im Fahrradgeschäft: einen Rückruf. Konkret: Riese & Müller hatte im Oktober 2021 bei einigen wenigen seiner „Packster-70“-Modelle feststellen müssen, dass in einzelnen Montagechargen die Lenkungsdämpfung zu schwach eingestellt wurde, und das Rad deshalb zurückgerufen. „Somit ist es in Kombination mit einer ungünstigen Fahrsituation in Einzelfällen möglich, dass das Vorderrad zum Flattern kommt und sich im Extremfall die Klemmung des Lenkseils lockert“, stand da auf der Website des Premiumanbieters zu lesen.

Mehr oder weniger „außer Konkurrenz“ habe ich das Multicharger GT Vario 750 (hier ein Pressebild) getestet – denn „die Liebe“ ist ja wohl keine Last.
Mehr oder weniger „außer Konkurrenz“ habe ich das Multicharger GT Vario 750 (hier ein Pressebild) getestet – denn „die Liebe“ ist ja wohl keine Last.
(Bild: Riese & Müller)

Pünktlich zur Eurobike war das Packster 70 aber zurück auf dem Markt – leider auch zu spät, als dass ich es noch in diesen Lastenradtest mit einschließen konnte. Stattdessen hatte ich mir ein nagelneues „Multicharger GT Vario 750“ nach Würzburg beordert (siehe Bild links). Kein wirkliches Lastenrad, aber mit einem 750-Wattstunden-Akku und immerhin Frontgepäckträger ausgestattet, den es auch noch als Cargo-Variante und mit Tasche gibt. Und hinten, ja da kann ein ausgewachsener, bis zu 65 Kilogramm leichter Mensch auf einer gepolsterten Sitzbank Platz nehmen – dafür gibt es als eine Art zweiter Lenker ausgeführte Haltegriffe und Fußrasten. Was soll ich sagen? Ein Top-Alltagsabenteurer in bewährter Riese-&-Müller-Qualität, der auch zum Personentransport genutzt werden kann.

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