Kontraktlogistik Hamburg auf dem Sprung
Vor knapp vier Jahren ist im Hamburger Hafen ein Joint Venture entstanden: die HHLA Rhenus Logistics GmbH, ein Unternehmen der Hamburger Hafen- und Logistik AG (HHLA) und der Rhenus AG. Wir sprachen mit den Geschäftsführern Michael Schirmaier (Sprecher) und Heiko Oberländer über ihre Ziele und Visionen.
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MM Logistik: Herr Schirmaier, wo positioniert sich Ihr Joint Venture innerhalb der Unternehmenskulturen von HHLA mit seiner regionalen Perspektive und dem Kontraktlogistik-Riesen Rhenus?
Schirmaier: Die HHLA ist ein typisches Hamburger Unternehmen mit etwa 1 Mrd. Euro Umsatz pro JahrJahr und 4000 Mitarbeitern. Auf der anderen Seite die Rhenus mit ihren 11 000 Mitarbeitern und rund 2,5 Mrd. Euro Umsatz. Für Rhenus sind wir so etwas ähnliches wie die Niederlassung Hamburg in der Kontraktlogistik. Für die HHLA stellen wir die Kontraktlogistik des Unternehmens dar. Wir agieren eigentlich mehr wie ein mittelständisches Unternehmen und nicht wie ein Großkonzern, und wir beide haben als Geschäftsführer relativ viel Freiheit, die Kunden und die Geschäfte zu entwickeln.
MM Logistik: Wie gestaltet sich die Aufgabenteilung innerhalb der Geschäftsführung?
Schirmaier: Als Geschäftsführer haben wir direkten Kontakt zu unseren Kunden, vereinbaren Projekte, sagen Projekte zu, setzen sie dann aber auch um. Wir sind nicht so strikt in Ressorts eingeteilt, wie man das in klassischen Unternehmen kennt. Ein Teil unseres Erfolgs besteht eben gerade darin, dass es auf der Ebene der Geschäftsführung so gut klappt. Wir haben alleine in den letzten drei Jahren unseren Umsatz mehr als verdoppelt. Im Jahr 2003 sind wir mit 12 Mio. Euro Umsatz gestartet und liegen heute bei rund 25 Mio. Euro.
Oberländer: Wenn ich mir das Tagesgeschäft ansehe, ist es so, dass die betrieblichen Angelegenheiten, die Gespräche mit der IT und alles, was mit der Umsetzung im Tagesprozess zu tun hat, von Michael Schirmaier betreut werden. Vertriebliche Dinge werden vordergründig von mir wahrgenommen. Wenn ein größeres Thema den Projektstatus erreicht hat, dann stimmen wir uns gegenseitig ab.
MM Logistik: Was sind Ihre aktuellen Projekte?
Schirmaier: Unser zentrales Thema ist derzeit das neue Logistikzentrum Altenwerder, das wir gerade gebaut haben. Wir liegen damit direkt hinter der Wasserkante, 200 Meter. Hier haben wir 20 Mio. Euro investiert. Wir haben ins Blaue gebaut – eine sehr mutige Entscheidung der Gesellschafter; üblicherweise tut man so etwas nur, wenn man die Investition back to back über Kontrakte abgesichert hat. Wir sind hier in Hamburg in einer Situation, in der wir sagen: Wir wollen von Anfang an dabei sein, um, schon bevor Kontrakte mit Kunden gezeichnet sind, den Marktplatz zu besetzen.
MM Logistik: Haben Ihre Kunden also auf Ihr Logistikzentrum in Altenwerder gewartet? Wo und wie akquirieren Sie Neukunden?
Schirmaier: Wir erleben im Moment eine sehr gute Nachfrage bei unseren Kunden. Etwa 50% der Anlage sind mitterweile befüllt. Wir reden hier immer über Kontrakte in einer Größenordnung von zwei, drei, vier Mio. Euro, die man auf Jahre abschließen will, und die gibt‘s natürlich nicht wie Sand am Meer. Insofern beinhaltet die Konzeption Altenwerder im Jahr 2007 eindeutig eine Hochlaufphase. Auf Jahressicht wollen wir 2007 etwa zwei Drittel des geplanten Umsatzes der Anlage erreichen, 2008 soll sie dann voll laufen.
MM Logistik: Wie stellt sich die Situation der Logistikimmobilien derzeit im Umland dar? Was tut sich im Flächenmanagement?
Schirmaier: Wir sind hier am Überseezentrum, unserem größten Betrieb, der bereits in den 60ern erbaut wurde. Es ist eine ganz klare Verlagerung der Unternehmen in das westliche Hafengebiet zu beobachten, hin zu den Containerterminals. Das geschieht unter anderem auch vor dem Hintergrund des Stadtentwicklungsprojektes „wachsende Stadt – Sprung über die Elbe“. Davon betroffen sind zum Beispiel Standorte wie das Überseezentrum hier im östlichen Hafengebiet. Wir gehen davon aus, dass wir in etwa fünf Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit über eine Verlagerung dieses Betriebs hier sprechen – nicht der HHLA Rhenus insgesamt.
MM Logistik: Aber werden dann die Flächen im Westen nicht ganz schnell wieder knapp?
Schirmaier: Damit einher geht natürlich eine wachsende Flächenknappheit, was Logistikflächen im Sinne von Lagerlogistik, von Kontraktlogistik anbelangt. Und natürlich ein intensiver Wettbewerbsdruck bei den einzelnen Wettbewerbern, um sich solche Flächen zu sichern. Zu nennen ist hier das Güterverkehrszentrum (GVZ) Hamburg-Altenwerder, in dem wir selbst auch Gesellschafter sind, wo wir eben unser Logistikzentrum Altenwerder gebaut haben. Diese Flächen waren mehrfach überzeichnet, wie bei einem Börsenhype. Jeder hat zugesehen, dass er sich ein Stück sichern konnte. Wir waren dabei erfolgreich und haben uns die ersten acht Hektar zum Bau unseres Logistikzentrums sichern können.
MM Logistik: Was nützen die schönsten Flächen ohne Kunden?
Schirmaier: Kunden ist ein gutes Stichwort. Hier am Überseezentrum haben wir unter anderem seit vielen Jahren eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit mit Fuji Foto – das sind die ganzen Chemikalien, die Druckplatten, der professionelle Filmbereich. Ein weiterer wirklich großer Kunde ist Maersk Logistics, früher PLO Nedlloyd, für die wir umfangreich im Bereich der Motorradlogistik tätig sind.
MM Logistik: Was hat man sich unter Motorradlogistik vorzustellen?
Schirmaier: Rein betrieblich betrachtet ist das gar nichts furchtbar Spannendes. Das ist eine klassische Blocklagerung von Motorrädern – ganz nebenbei, wir haben hier 30 000 Maschinen auf Lager. Die Krux liegt eindeutig bei der IT-Steuerung, weil man im Prinzip so etwas ähnliches haben muss wie ein Blocklager mit Einzelplatzzugriff. Jedes Motorrad hat nun einmal eine eineindeutige Fahrgestellnummer, und das muss IT-technisch verwaltet werden: die Seriennummer, wenn man so will. Der Zugriff muss natürlich im Vorfeld reserviert werden, weil man diese Fahrgestellnummer zum Druck der Fahrzeugbriefe benötigt, und das erfordert ganz ausgefeilte Prozesse und eine ausgefeilte IT-Steuerung.
Oberländer: Nächster wichtiger Kunde ist Samsung Electronics, die volle Bandbreite: weiße Ware, braune Ware, Consumer-Elektronik, Handys, all diese Dinge. Wir haben hier einen Wertverschlag, wir haben Videoüberwachung, auch wenn die Anlage nicht mehr aussieht wie eine moderne Logistikimmobilie. Beim Samsung-Geschäft muss man eine Spezialität erwähnen: Weihnachtsgeschäft heißt an der Stelle bis zum Dreifachen des üblichen Tagesvolumens. Bei Samsung decken wir die Belieferung des gesamten Marktes der ehemaligen GUS-Staaten ab.
MM Logistik: Sie lagern sicher nicht nur ein und aus?
Schirmaier: Heute sind Kunden wie Samsung auch deshalb unsere Kunden, weil wir eben ein besseres, ein eleganteres Konstrukt anbieten können für Waren, die zum Beispiel im Transit nach Osteuropa weiterlaufen. Wir haben beispielsweise im Bereich der Verzollung neue Vorgehensweisen und Systeme, Stichwort ATLAS. Da haben wir uns frühzeitig aufgestellt, wir verfügen heute über die gesamte IT-Bandbreite in diesem Bereich. Zum anderen wird der Fall der Freizone von der Hamburger Politik und auch von den Terminal-Betreibern offen diskutiert. Aus deren Sicht gibt es eine Menge gravierender Vorteile, wenn die Freizone fallen sollte. Ich sage das ganz vorsichtig: Wir schließen es nicht aus, dass in den nächsten fünf Jahren die Freizone fällt.
MM Logistik: Sie führen bisher nur die Großen ihrer Branchen als Kunden an...
Schirmaier: Die machen etwa zwei Drittel des Gesamtumsatzes aus. Natürlich leben wir von einer Vielzahl auch mittlerer und kleiner Kunden, die uns genauso lieb sind. HHLA Rhenus Logistics ist nicht nur der komplexe Kontraktlogistiker – diese Vokabel wird ja gern verwandt – sondern wir machen auch ganz klassische einfache Umschlagsleistung: Container-Umfuhr, Container auspacken oder packen. Da sind wir uns überhaupt nicht zu schade, ganz im Gegenteil, aus solch relativ einfachen Projekten sind schon oft komplexe und sehr erfolgreiche Logistikprojekte geworden.
Wir arbeiten auch seit vielen Jahren hier am Überseezentrum im Bereich der Projekt- und Anlagenlogistik, insbesondere exportgetriebenes Geschäft. Also die typischen Maschinenbauer aus Süddeutschland, die ihre Anlagen zunächst einmal nach Hamburg transportieren, um sie hier für eine gewisse Zeit zwischenzupuffern. Das sind typischerweise Aufgaben, die man der HHLA Rhenus Logistics zuspielt, weil an den Container-Terminals überhaupt kein Platz wäre, um Anlagen über mehrere Wochen, manchmal sogar Monate zu lagern. Wir haben ein 30 000 m2 großes Vordach, wo auch große Anlagen wirklich witterungsgeschützt trocken stehen können. Gerade der Standort hier am Überseezentrum ist ein trimodaler, wir haben Straßen-, Bahn- und Wasseranschluss und direkten Zugriff auf die Schwimmkrane, die auch von der HHLA betrieben werden.
Das Interview führte Bernd Maienschein, leitender Redakteur MM Logistik.
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