Kommissionierroboter Intelligent, präzise und kollaborativ
Mit „eisernen Gesellen“, wie man Roboter früher gerne pauschal nannte, haben die Kommissionierroboter der Logistik-4.0-Generation so gut wie nichts mehr zu tun: Als filigrane Hightech-Geräte sind sie mit Vision-Systemen ausgestattet, an die Logistik- und Warehouse-IT angebunden, mit präzisen Greifwerkzeugen für das Picken, Platzieren und Handling unterschiedlichst dimensionierter Produkte ausgestattet und komplett in die intralogistischen Prozesse integriert, wie die folgenden Beispiele zeigen.
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Moderne Robotikapplikationen bilden einen festen Bestandteil in wirtschaftlichen Logistik-4.0-Anwendungen. Mit dem breiten Produktportfolio von SSI Schäfer werden Lösungen exakt auf die individuellen Branchenanforderungen und die unterschiedlichsten Anwendungsbereiche zugeschnitten. „Von Palettierung und Depalettierung über Lagerung bis hin zu Kommissionierung und Sonderhandling bieten wir passgenaue Lösungen, die sich nahtlos in Gesamtsysteme integrieren lassen“, so das Unternehmen.
Zum umfassenden Leistungsportfolio gehören neben Robotikapplikationen für das Piece Picking sowohl Portal- als auch Knickarmroboter für das Lagern, Kommissionieren, Depalettieren und Palettieren von Cases und Lagen.
Robotiklösungen für die Automatisierung der Prozessketten
Die Robotertechnologie ist ein wesentliches Kernelement des Schäfer Case Pickings (SCP). Bei diesem durchgängigen, vollautomatisierten Konzept für die filialgerechte Kommissionierung von Produkteinheiten werden Roboter für die lagenweise Depalettierung eingesetzt. Durch die Kombination der drei bewährten Greifprinzipien Vakuum-Multigrip, Vakuum-Kammer und mechanisches Klemmprinzip werden bei der Depalettierung hohe Dynamik und Funktionssicherheit sowie ein schonendes Produkthandling gewährleistet. Zudem werden Roboter für das Palettieren von Mischpaletten für die Belieferung von Filialen eingesetzt. Laut SSI Schäfer „ermöglichen unsere smarten Robotiklösungen eine durchgehende Automatisierung der Prozessketten und stehen für hohe Dynamik, Flexibilität und Funktionssicherheit“.
Zentrales Element zur Steuerung der Roboter ist der „Robot Material Flow Controller“ (RMC) der Logistiksoftware Wamas von SSI Schäfer. Der RMC verarbeitet die 3D-Vision-Daten und gibt auf dieser Basis die Bewegungen der Roboter vor. Der modulare Aufbau von Wamas ermöglicht individuell angepasste Lösungen.
Das neue automatische Archiv-Center der OAO Sberbank Russlands befindet sich auf 15.000 m² Fläche im Logistikpark Tomilino, südöstlich von Moskau. Das Kreditinstitut ist mit rund 250 Mio. Privat- und 1,3 Mio. Geschäftskunden die größte Bank Osteuropas. „In Russland müssen die Banken ihre Dokumente je nach Wichtigkeit bis zu 90 Jahre aufbewahren“, so German Gref, Vorstandsvorsitzender der Sberbank. „Da in unserem Fall als Dokument nur Papier zählt“, entstand ein riesiges Papiervolumen, das bisher mehr oder weniger sortiert auf mehrere Niederlassungen verteilt war.
Roboter für schnelle und präzise Archivarbeit
Bei täglich 2000 bis 3000 nachgefragten Dokumenten aus den Archiven, die manuell gesucht und dann zur bestimmten Filiale gebracht werden mussten, entstand ein immenser Zeit- und Kostenaufwand. Daher entschied man sich für das neue Archiv- und Logistikcenter. Die konzeptionelle Entwicklung, die Integration der Technik und die Anbindung des WMS an das Archivierungs- und Erfassungssystem von Sberbank wurden von Viastore gemeinsam mit dessen russischem Partner durchgeführt.
Wie Harald Fink, Projektleiter von Viastore, erläutert, ist die 16-gassige Anlage 97 m lang, 134 m breit und 12,4 m hoch und bietet insgesamt 79.296 Stellplätze für Tablare, die automatisch von den RBG des Typs „viaspeed XL“ versorgt werden. Die Mitarbeiter versehen die Dokumentenmappen mit einer Aktennummer, mit der sich der entsprechende Vorgang jederzeit über die Archivmanagement-Software identifizieren lässt, und legen die Mappen in Kartons. Für häufiger benötigte Akten sind größere Kartons im Einsatz, die gefüllt rund 19 kg wiegen, die anderen Kartons bringen es auf 7 kg. Fink: „Von den mehr als 2 Mio. Schachteln im Lager greifen wir auf etwa 240.000 häufig zu.“
Im Wareneingang werden die Kartons mit einem Barcode versehen, mit dem sich eindeutig zuordnen lässt, welche Dokumentenmappen mit welchen Akten in welchem Karton liegen. Das WMS Viadat ist an die beiden Archivmanagement-Systeme der Sberbank angebunden und kann somit die Kartons exakt zuordnen.
Über die Fördertechnik, die etwa 1400 Kartons pro Stunde leistet, gelangen die Kartons zu einer Gewichts- und Konturenkontrolle und dann in die Vorzone der Regalanlage. Dort stehen acht 6-Achs-Knickarmroboter, die mit einem kombinierten Klemm-Saug-Greifer ausgestattete sind. Die Roboter nehmen die Kartons auf und setzen sie auf die 2238 mm × 880 mm großen, mit Teilern ausgestatteten Tablare. Fink: „Je nach Kartontyp können wir auf den Ladungsträgern 12 bis 30 Kartons platzieren; die Teiler unterstützen vor allem auch das genaue und automatische Positionieren der Kartons.“
Pro Stunde leistet jeder Roboter bis zu 420 Zugriffe. Neben der Fehlervermeidung beim Ein- und Auslagern verkürzt das neue Gesamtsystem die Zeit zwischen Dokumentenanforderung und der Ankunft beim Empfänger erheblich: So kann die erforderliche Akte bei Bedarf innerhalb von wenigen Stunden als Scan oder per Kurier in einer der Filialen sein.
Mobile Kommissionerroboter beschleunigen Onlinehandel
Das junge Robotikunternehmen Magazino konnte den Schuhhersteller und Retailer Lloyd Shoes GmbH als Kunden gewinnen. Seit Dezember 2019 werden die ersten mobilen Kommissionierroboter von Magazino im Versandlager von Lloyd eingesetzt. Am Hauptstandort Sulingen unterstützen die Roboter des Typs Toru die Mitarbeiter beim Ein- und Auslagern von online bestellten Schuhen in Fachboden-Regalanlagen.
Mit diesem Einsatz zählt das Unternehmen zu den innovativen Vorreitern in der Branche, denn das anhaltende Wachstum im Onlinehandel und immer kleinere Losgrößen erfordern flexibel anpassbare und skalierbare Automatisierungslösungen. So können laut Magazino „zusätzliche Toru-Roboter in weniger als einem halben Tag in eine bestehende Flotte integriert werden. Zu den Vorteilen von Toru zählt die Fähigkeit, sich ohne Umbauarbeiten in die bestehende Lagerumgebung in Sulingen zu integrieren und die menschlichen Kollegen bei ihren Tätigkeiten zu unterstützen.“
So kann Toru die Mitarbeiter bei nicht ergonomischen Arbeiten entlasten, etwa beim Kommissionieren vom untersten beziehungsweise obersten Regalfach oder besonders langen Laufstrecken im Lager. Generell kann der Roboter einzelne Artikel nicht nur picken oder im Lager von A nach B transportieren, sondern beide Prozessschritte abdecken; zudem kann er sowohl ganze Ladungsträger als auch individuelle Objekte, wie beispielsweise einen einzelnen Schuhkarton, im Regal identifizieren und greifen.
Mit zahlreichen Sensoren nimmt der Roboter seine Umwelt wahr, erkennt Menschen oder Hindernisse im Weg und kann damit sicher parallel mit dem Menschen im selben Arbeitsbereich kommissionieren. Über eine Anbindung an die Cloud und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) kann Toru konstant von seinen eigenen Erfahrungen bei der täglichen Arbeit lernen und diese Erkenntnisse mit seinen Roboterkollegen teilen. Dadurch werden die Roboter konstant schneller und in unbekannten Situationen deutlich robuster. Mit bis zu 18 h Betriebszeit kann Toru zudem auch nachts oder außerhalb der Kernarbeitszeiten eingesetzt werden.
Robotiksysteme in der Ware-zur-Person-Kommissionierung
„Die Kommissionierung als ,Last Touch‘ in der Auftragsbearbeitung findet noch vornehmlich manuell statt“, meldet Dematic. „Am Ende des Bestellprozesses sitzen jedoch zunehmend hinsichtlich Schnelligkeit und Genauigkeit verwöhnte Onlinekunden. Um dem gerecht zu werden, kommen moderne Distributionszentren nicht umhin, in Robotiksysteme in der Ware-zur-Person-Kommissionierung zu investieren, um eine vollautomatische Kommissionierung zu komplettieren. Das ,Dematic Roboter Piece Picking Module‘ lässt sich als flexible, skalierbare und modulare Lösung nahtlos in das Handling integrieren.“
Mit der im Roboterarm integrierten Vision Technology scannt und verifiziert es zunächst die eingehenden Behälter und bestimmt die Lage der enthaltenen Artikel. Anschließend pickt die Greifvorrichtung des Arms das identifizierte Produkt gemäß der Auftragsliste und übergibt es in den vorgesehenen Zielbehälter. Dabei werden Durchsatzraten von bis zu 1200 Artikel pro Stunde erreicht. Produkte unterschiedlichster Art und Größe, wie beispielsweise Körperpflegeartikel, Kosmetika, verpackte Lebensmittel, Büroartikel oder auch individuelle Ersatzteile, wie sie in Behältern aus dem Dematic-AKL, dem Dematic-Multishuttle-System oder Autostore angeliefert werden, können mithilfe des Roboterarms automatisch kommissioniert werden.
Das Dematic Roboter Piece Picking Module, das Dematic unter anderem beim australischen Lebensmittelhändler Drakes Supermarkets installiert hat, lässt sich flexibel auf den jeweiligen Kunden adaptieren, kann an ganz unterschiedlichen Punkten im Warenfluss implementiert werden und erlaubt unterschiedliche Optionen. Im Fall von Drakes Supermarkets hilft es in einem Distributionszentrum, 50 Märkte zu versorgen. Mithilfe von IoT- und Cloud-Technologien kann das Robotiksystem über Remote-Monitoring und -Wartung auf dem neuesten Stand gehalten werden.
Kollaboration von Mensch und Roboter
Im Logistikzentrum von Würth in Riihimäki nördlich von Helsinki wurde vor einiger Zeit der von Vanderlande entwickelte „Cobot“ in Betrieb genommen, ein kollaborativer Roboter, der gleichzeitig neben menschlichen Bedienern arbeitet. Zwar wird Robotertechnologie schon seit Längerem für automatisierte Warenbewegungen eingesetzt; die SIR-Lösung (Smart Item Robotics) ist jedoch, wie Vanderlande meldet, „einzigartig, weil ihre Robotereinheit harmonisch im selben Bereich wie Menschen arbeiten und einzelne Artikel intelligent aufnehmen und ablegen kann“.
Zu den größten Stärken von SIR zählt die Fähigkeit, verschiedene Produkte ohne Teaching von Artikelnummern zu bearbeiten. Intelligentes Stapeln ermöglicht zudem die effiziente Positionierung von Waren, und Produkte werden reibungslos und sicher abgefertigt.
Nach einer Vorlaufzeit von weniger als zwei Monaten wurde SIR in den täglichen Betrieb von Würth integriert – zusammen mit „Adapto“, dem hochflexiblen Ein-, Auslager- und Transportsystem von Vanderlande. So können die Waren für Kundenaufträge nahtlos kommissioniert werden. Die Steuerung erfolgt über dieselbe Learnware-Systemoberfläche, die auch für andere Prozesse im Logistikzentrum von Riihimäki genutzt wird, und der Smart Item Robot wird im Livebetrieb abgebildet.
Automatisierter Kommissionierbehälter-Transport
Die Versandmanufaktur GmbH Witten setzt auf ein besonderes Fulfillment-Konzept für den Onlinehandel: Auf 5500 m² Betriebsfläche werden rund 6 Mio. Einzelteile für rund 70.000 Produkte von E-Commerce-Kunden aus den Bereichen Fashion, Food, Interior/Wohndesign und Kosmetik gelagert, kommissioniert und versendet. Um die stark wachsenden Strukturen und Prozesse weiter zu optimieren, automatisiert die Versandmanufaktur ihren Materialfluss mit dem fahrerlosen Behältertransporter „LEO Locative“ von Bito-Lagertechnik und spart damit viele Kilometer Laufwege ein.
Je nach Saison bearbeitet das Unternehmen zwischen 2000 und 6000 Bestellungen pro Tag. Derzeit sind bei der Versandmanufaktur fünf „LEO-Locative“-Transporter eingesetzt, die mit der neuen dezentralen Zielsteuerung ausgestattet sind. Wie Michael Blum, Vertrieb Transportsysteme bei Bito, erläutert, „funktioniert auch diese Variante ohne WLAN und IT, es ist keine weitere Infrastruktur erforderlich und der Transporter wird über eine auf dem Boden aufgeklebte optische Spur und auf dem Boden aufgebrachte Marker gesteuert“.
Der Mitarbeiter schickt seine aus den Regalen in Behälter kommissionierte Ware mit „LEO Locative“ vom Startpunkt an ein beliebig ausgewähltes Ziel, das zuvor über ein am Wareneingang fix montiertes Tablet angegeben wird. Aktuell stehen bei der Versandmanufaktur sechs Ziele für die dort eingesetzten sechs Stationen zur Auswahl. Das Transportfahrzeug fährt mit der Ware bis zum gespeicherten Ziel, gibt den Behälter mit der Ware an der Station ab und fährt dann entlang der Fahrspur weiter.
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