Interview: Carolin Paulus Neugeschäft und Service noch enger verzahnen
2019 stand für Demag im Zeichen des 200-jährigen Bestehens der ehemaligen Deutschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft. Zuletzt beim US-Amerikaner Terex angedockt, ging der Kranbauer vor vier Jahren an den börsennotierten finnischen Maschinenbauer Konecranes. Wir sprachen mit Carolin Paulus über ihre Berufung ins „Leadership Team“, Unternehmenskulturen und natürlich über das Produktportfolio.
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Ihre ersten 100 Tage als Vice President Business Area Industrial Equipment bei Konecranes hatte sich Carolin Paulus sicher anders vorgestellt. Die Powerfrau, die das Geschäft nach ihrem Einstieg 1991 bei Demag als kaufmännische Projektleiterin sprichwörtlich „von der Pike auf“ gelernt hat, war zuletzt Geschäftsführerin der Demag Cranes & Components GmbH, bevor sie der Ruf in das Konecranes-Management erreichte. Ihren Dienstsitz behält Frau Paulus in Wetter an der Ruhr.
Frau Paulus, mit Ihrer Berufung in den Konzernvorstand von Konecranes zum 1. März dieses Jahres sind Sie ganz oben auf Ihrer persönlichen Karriereleiter angekommen?
Meine Berufung spiegelt auch die Wertschätzung und Bedeutung wider, die die Marke Demag im Gesamtkonzern genießt. Aufgrund meiner langjährigen Tätigkeiten in der Kranindustrie verfüge ich über weitreichende Erfahrungen in Neugeschäft und Service, die ich gewinnbringend in meine neue Position einbringen kann. Mit einer noch engeren Verzahnung von Neugeschäft und Service werden wir unsere Unternehmensziele erreichen.
Die berühmten „ersten 100 Tage“ in ihrer neuen Position als Executive Vice President im Geschäftsbereich Industrieausrüstungen sind inzwischen vorbei. Wie haben Sie diese Einarbeitungszeit in der aufkommenden Coronakrise erlebt? Die ein oder andere Geschäftsreise ins finnische Hyvinkää, wo Konecranes seinen Hauptsitz hat, dürfte schwierig gewesen sein …
Das ist richtig: Kurz nach meinem Start in dieser neuen Rolle haben wir Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung eingeleitet. So konnte ich die geplanten Besuche der weltweiten Industrial-Equipment-(IE-)Standorte bislang nicht wahrnehmen. Nichtsdestotrotz: Konecranes ist bei der digitalen Zusammenarbeit vorneweg! Dank der sehr guten digitalen Infrastruktur sind wir sowohl im Konecranes Leadership Team wie auch in allen anderen Bereichen in stetigem Kontakt und Austausch und bringen unsere Projekte weiter gemeinsam voran. Denn die Pandemie hat uns gezeigt, dass Krisen auch Chancen bieten, um sich als Team zusammenzuschließen und die Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.
Vor Ihrer Berufung in den Konzernvorstand haben Sie über 16 Jahre lang hauptverantwortlich das Ersatzteilgeschäft von Demag gemanagt, davon einige Jahre unter dem Dach des US-Amerikaners Terex. Was ist in der Führungskultur der Finnen anders?
Vor der Übernahme der Verantwortung für das globale Ersatzteilgeschäft der Konecranes-Gruppe habe ich weltweit das gesamte Demag-Servicebusiness geleitet. Ich kann sagen, dass wir als Unternehmen mit deutschen Wurzeln von jeder Führungskultur gelernt haben und die Internationalisierung uns bereichert hat. In der amerikanischen Führungskultur sind zum Beispiel schnelle Entscheidungen gefragt. Die finnische Kultur zielt auf mehr Planungstechniken und eine präzise Vorbereitung ab, was der deutschen Kultur in vielen Aspekten sehr ähnlich ist. Vor dem internationalen Hintergrund sehe ich weitere Gemeinsamkeiten der finnischen und deutschen Führungskultur, wobei die Finnen noch stärker auf Eigenverantwortung setzen und sich noch schneller auf die Digitalisierung in der Zusammenarbeit und bei Arbeitsprozessen einlassen. Über allem steht ein hohes Maß an Kundenorientierung, Eigenverantwortung der Teams und eine hohe Wertschätzung der Mitarbeiter.
In der offiziellen Presseerklärung zu Ihrer Aufnahme ins „Leadership Team“ freut sich CEO Rob Smith darauf, mit Ihnen zusammen die Transformation von Konecranes weiterzubetreiben. Aber eine Last bleibt eine Last und die physischen Gesetzmäßigkeiten können auch Sie nicht außer Kraft setzen. Was könnte Ihr neuer Chef sonst gemeint haben?
Hier folgen wir unseren klaren Strategien – und betrachten den Begriff der Transformation auf verschiedenen Ebenen: 1. Building „One company“ – mit mehreren starken Marken. Dazu gehören neben Konecranes und Demag weitere etablierte Brands sowie seit Beginn des Jahres auch unser früheres Joint Venture MHE Demag in Südostasien. Daraus formen wir ein starkes Unternehmen mit dem Anspruch, als Weltmarktführer für Neugeschäft und Service die für unsere Kunden bestmöglichen Lösungen anbieten zu können. 2. Diversität. Das ist ein Hauptanliegen von Rob Smith und des gesamten Leadership-Teams. Wir setzen auf Vielfalt, Kreativität und wollen mit einem Diversitätsmanagement die Einflüsse unserer weltweiten Teams gewinnbringend für die Entwicklung des gesamten Unternehmens nutzen. 3. Und Transformation bedeutet nicht zuletzt auch den längst beschrittenen Weg im digitalen Zeitalter. Wir arbeiten an Lösungen, die das gesamte Unternehmen betreffen: von der Entwicklung über die Fertigung bis zur Kundenkommunikation.
Ganz sicher sind die Auswirkungen von und das Umgehen mit der Coronakrise nicht die vordringlichsten Aufgaben, auf die Sie sich zu Beginn Ihrer Amtszeit konzentrieren wollten. Hat nicht gerade Ihre bisherige Paradedisziplin bei Demag, das weltweite Ersatzteilgeschäft, besonders unter der Pandemie zu leiden? Wenn etwa Ihre Servicetechniker plötzlich vor verschlossenen Werkstoren stehen?
Natürlich geht die Pandemie nicht spurlos an uns vorüber. Schließlich haben auch zahlreiche namhafte Unternehmen ihre Produktion temporär heruntergefahren. Dennoch: Unsere Kunden vertrauen uns – auch aufgrund eines professionellen Krisenmanagements. Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass unsere Servicetechniker bei einigen Kunden zu den wenigen externen Besuchern zählten, um in der Lockdown-Phase proaktive Wartungen vorzunehmen.
Aus dem Konecranes-Zwischenbericht Ende April geht hervor, dass das Unternehmen mit einem „signifikanten Umsatzrückgang“ im zweiten Quartal rechnet. Inwieweit bezieht sich diese Aussage auch auf das Demag-Kerngeschäft?
Mit der Marke Demag sind wir wie viele Bereiche des Konzerns und wie die meisten Industrieunternehmen von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie betroffen. Fast alle unserer Produktionen laufen aber mit den bereits früh von uns installierten Schutzmaßnahmen ohne Unterbrechungen weiter. Wir sind sehr froh, dass wir durch dieses umsichtige Krisenmanagement die Auswirkungen so gering wie möglich halten konnten. Dennoch sind auch wir keine Ausnahme und spüren auf Kundenseite ein zurückgefahrenes Investitionsklima.
Ihr CEO hat angekündigt, die Sanierung des Prozesskrangeschäfts und die Verbesserung der Rentabilität des Industrieanlagengeschäfts über das zweite Quartal hinaus zu seinen Hauptaufgaben zu machen. Sehen Sie da unangenehme Aufgaben auf sich und Ihren Verantwortungsbereich zukommen?
Die von mir verantwortete Business Area IE zeichnet sich durch ein sehr großes Spektrum aus: vom einzelnen Kettenzug bis zum vollautomatisierten Lager- und Prozesskran. Meine Aufgabe ist es, das gesamte IE-Geschäft, das verschiedene Marken umfasst, zu nachhaltigem Wachstum mit verbesserter Profitabilität zu führen.
In ihrer regionalen Tageszeitung Westfalenpost war Ende 2018 von einem „Zukunftstarifvertrag 2028“ zu lesen. Haben die damals ausgehandelten Punkte, insbesondere die Mindestbeschäftigungszahl der Mitarbeiter und die Tarifbindung, vor dem aktuellen Hintergrund überhaupt noch Bestand?
Ein Kernelement des unter meiner Beteiligung zustande gekommenen Zukunftstarifvertrages 2028 ist die Stärkung des Standorts Wetter mit Verwaltung und Produktion. Dazu stehen wir selbstverständlich auch heute. Hier sind wir dabei, mit dem Projekt #Wetter2020, dem größten Investitionsprogramm der letzten 20 Jahre, den Standort Wetter für die Zukunft fit zu machen und nachhaltig zu stärken. Wetter ist dabei der zentrale Produktionsstandort für Komponenten und Leichtkransysteme.
Beschäftigung sichern lässt sich am besten mit attraktiven, marktführenden Produkten. Ihr neuer Kettenzug mit Balancer-Funktion für intuitive Lastführung: Wird das ein „Kassenschlager“?
Der DCBS ist ein weiteres Produkt, mit dem wir unser äußerst umfangreiches Produktportfolio an Kettenzügen abrunden. Diese Weiterentwicklung ist die Antwort auf die in vielen Industrien bestehenden Herausforderungen an Ergonomie und Präzision. Ein Punkt ist dabei zu unterstreichen: die intuitive Lastführung. Diese spiegelt sich zum Beispiel auch bei der Entwicklung unserer Joysticks zur Steuerung von Kranen und Hebezeugen wider.
Frau Paulus, haben Sie ganz herzlichen Dank für Ihre Antworten!
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