Assessment Center Outdoor-Assessment-Center bieten höhere Validität durch Authentizität

Autor / Redakteur: Michael Gestmann /

Verlässlich zu prognostizieren, wer der beste Bewerber ist und über welche Potenziale die einzelnen Kandidaten verfügen – das ist das Ziel von Personalauswahlverfahren. Ein völlig neues Instrument, um den künftigen Berufserfolg zu ermitteln, ist das Outdoor-Assessment-Center des Trainingszentrums Ellernhof.

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Für wohl alle Teilnehmer war die Herausforderung, gemeinsam die 13 Meter hohe und 11 Meter breite Teamleiter zu erklimmen, so groß, dass sie völlig vergaßen, warum sie es taten. Bei der Premiere des Ellernhof-Outdoor-Assessment-Centers (AC) wurde ermittelt, über welche Stärken, Schwächen und Potenziale die 53 teilnehmenden Nachwuchsführungskräfte verfügen. Parallel zu ihrem Job bei Unternehmen wie Airbus, Daimler Chrysler, Dräger oder Alfa Laval studieren sie an der Nordakademie in Elmshorn. Sie bewältigten einen Tag lang vier komplexe Aufgaben im Outdoor-Areal des Trainingszentrums Ellernhof unter den Augen von 44 Beobachtern, die eigens für diese Tätigkeit einen Tag lang ausgebildet wurden.

Authentisches Verhalten wird hervorgerufen

Das weltweit erste Outdoor AC, das von unabhängigen Wissenschaftlern mitkonzipiert wurde, benötigte eine Planungs- und Erprobungszeit von rund 18 Monaten. Die Idee resultierte aus den Erfahrungen während der Team- und Führungskräftetrainings, die täglich im Lüneburger Trainingszentrum stattfinden. Dabei gingen den Trainern, zu denen auch Ellernhof-Chef Peter Timmermann gehörte, immer wieder Sätze durch den Kopf wie „Die würde ich sofort einstellen“ oder „Dem trau’ ich es nicht zu, ein Team effizient zu führen“.

Daher entschloss sich Timmermann, eine Kooperation mit der Forschungsgemeinschaft der Nordakademie, vertreten durch Prof. Dr. Dietger Mainz, und der Helmut-Schmidt-Universität (HSU), vertreten durch Dr. David Scheffer, einzugehen. Gemeinsam wurde das Ellernhof-Outdoor-AC entwickelt. Studenten der Nordakademie und der HSU waren die Probeteilnehmer, um sukzessive Struktur, Aufgaben und Abläufe zu optimieren. Die Daten der Erprobungsphase lassen erwarten, dass die Prognosequalität des Outdoor-ACs deutlich höher ist als bei herkömmlichen ACs. So kann auf diese Weise etwa der Berufserfolg eines Teilnehmers mit einer höheren Validität vorhergesagt werden, als bei durchschnittlichen klassischen Indoor-ACs.

Klassische ACs bieten ähnliche Aufgaben

Einer der Gründe: Durch Aufgabenstellungen und Bewertungsskalen, die bei herkömmlichen ACs meist verwendet werden, generalisieren die Beobachter ihre Urteile oft. Wird der Proband bei einer Aufgabe zum Beispiel in der Dimension Überzeugungskraft hoch bewertet, dann meist auch in den anderen Dimensionen. Zwischen den Aufgaben aber gleichen sich die Bewertungen der Beobachter in den Dimensionen kaum. Wer bei einer Aufgabe eine hohe Punktzahl für sein sozial integrierendes Verhalten erhält, bekommt selten eine ähnliche bei der nächsten Aufgabe, auch wenn die Leistung gleich bleibt.

Die hohe Validität des Outdoor-ACs entsteht auch dadurch, dass die Aufgaben authentisches Verhalten der Teilnehmer hervorrufen. Ein verfälschendes Verstellen wird stark reduziert. Dr. Scheffer wies in einer Studie nach, dass durch die herausfordernden Aufgaben die meisten Teilnehmer in einen Zustand des Flow geraten. Und Flow ist ein Indikator für Authentizität, wie Timmermann betont.

Wie methodisch sauber das Gesamtkonzept angelegt ist, um die AC-Ziele zu erreichen, zeigt sich auch daran, dass die beurteilten Dimensionen, etwa Durchsetzungsvermögen, Extraversion oder kreatives Lösen, trennscharf in exakt definierten Übungsphasen ermittelt werden. Die Abläufe und Beurteilungsprozesse wurden zudem standardisiert, mögliche äußere Störvariablen eliminiert. Auch dadurch findet das Outdoor-AC in einer laborähnlichen Situation statt.

Schließlich kam es den Verantwortlichen darauf an, ein seriöses diagnostisches Verfahren zu entwickeln, das die Gütekriterien Reliabilität, Validität und damit auch Objektivität erfüllt. Genauso wichtig war es den Entwicklern, sicherzustellen, dass bei den Aufgaben Chancengleichheit besteht und die Teilnehmerakzeptanz hoch ist. Schriftlichen Feedbacks der Teilnehmer nach zu urteilen, ist beides gelungen.

Beobachterausbildung zum kennen lernen

Verwendet wird zum Beispiel ein 100 m2 großes unterirdisches Labyrinth, in dem per Infrarotkameras, Bewegungssensoren und Gegensprechanlage die Probanden beobachtet werden. Auch der „See der Erkenntnis“ kommt zum Einsatz. Die Gefahr bei der See-Überquerung im Team mit wenigen Hilfsmitteln: Hineinfallen. Da gibt sich jeder Mühe, seinen Beitrag zu leisten.

Teilnehmer, die ein paar Kilo zuviel haben oder unter Ängsten leiden, werden bei den Aufgaben nicht benachteiligt. Die Beobachter bewerten nicht die Sportivität sondern das Verhalten, das der Teilnehmer im Rahmen seiner Möglichkeiten zeigt.

Die Beobachter werden im Vorfeld eines Outdoor-ACs speziell ausgebildet, zum Beispiel um ihre Aufgaben zu klären und um Bewertungsverzerrungen zu verhindern. Es werden zudem die verhaltensorientierten Bewertungsskalen (Behavior Expectation Scales) und die so genannten Verhaltensanker erklärt. Denn die AC-Aufgaben provozieren typische Verhaltensweisen, die den Beobachtern als Orientierung in Form von Verhaltensankern vorliegen.

Beobachter durchlaufen AC-Aufgaben auch selbst

Alle AC-Aufgaben werden von den Beobachtern persönlich durchlaufen. So verstehen sie viel besser, worauf es bei der Bewertung der Probanden ankommt. Auf Anfrage können einzelne Führungskräfte und Personaler an einem kostenlosen Workshop zur Beobachterausbildung teilnehmen, um das Outdoor-AC kennen zu lernen, bevor sie buchen.

Timmermann weist darauf hin, dass im Outdoor-AC ein Beobachter zwei bis drei Teilnehmer zugleich prüft. In kommerziellen ACs sei dieses Verhältnis meist schlechter, oft seien Beobachter für bis zu fünf Teilnehmer zuständig. Beim Ellernhof setzt sich das Beobachterteam aus Vertretern des jeweiligen Unternehmens und aus Externen zusammen. Damit ist gewährleistet, dass firmenspezifische Aspekte berücksichtigt werden, aber auch neutrale Erkenntnisse in das abschließend erstellte Gutachten einfließen.

Soziale Kompetenzen werden gemessen

Welche Übungen das Outdoor-AC letztlich beinhaltet, hängt laut Timmermann davon ab, für welche Aufgaben Mitarbeiter gesucht werden, ob eine Potenzialanalyse im Mittelpunkt steht, ob es sich um ein Entwicklungs-AC, ein Lern-AC oder ein AC zur Evaluation von Weiterbildungsmaßnahmen handelt.

Natürlich hat das Outdoor-AC auch Grenzen, gibt Peter Timmermann unumwunden zu. So könne diese Methode zum Beispiel keinen Intelligenztest abdecken. Dafür misst das Outdoor-AC unter anderem die sozialen Kompetenzen der Teilnehmer, die, wie Studien zeigen, der wichtigste Erfolgsfaktor für Mitarbeiter und Unternehmen sind. Herkömmliche ACs erheben eher Einzelkämpfer-Kompetenzen. Der Ellernhof bietet auch eine Kombination von Indoor- und Outdoor-AC an.

Dipl. Psych. Michael Gestmann lebt als freier Publizist in 53125 Bonn, Tel. (02 28) 96 69 98 54, Fax (02 28) 96 69 98 56, michael@gestmann.de

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