Logistik Wein in Aktion

Autor / Redakteur: Wolfgang M. Musiol / Dipl.-Betriebswirt (FH) Bernd Maienschein

Reader’s Digest, das auflagenstärkste Monatsmagazin der Welt, lässt seine sortierten Wein-Aktionspakete von Sigloch Distribution verpacken und an viele tausend Kunden versenden. Dabei ist jede Menge Handarbeit notwendig, die Maschinen auf rationelle Weise nicht übernehmen können.

Anbieter zum Thema

Über 40 000 Kartons mit bis zu je zehn Flaschen verschiedener Weine müssen innerhalb weniger Tage per Post ausgeliefert werden, wenn eine Weinpaket-Aktion des Medien- und Direktmarketing-Unternehmens Reader’s Digest in Stuttgart läuft. Beim Logistikdienstleister Sigloch Distribution GmbH in Blaufelden, nahe Rothenburg ob der Tauber, arbeiten dann zwei bis drei Schichten mit Hochdruck.

Vom Aufklappen der Umverpackung über das Befüllen mit den Flaschen bis hin zur Stapelung der Kartons in den Lastzügen für den Transport zum Post-Frachtzentrum ist Handarbeit notwendig. Dafür müssen im Jahr rund 1 Mio. Weinflaschen in die Versandkartons gepackt werden. Die Bruchquote liegt bei maximal drei Flaschen.

Verlag wird zum Direktmarketingunternehmen

Mit einer Gesamtauflage von 18 Mio. Exemplaren in 70 Ländern ist das 1922 in den USA gegründete „Reader’s Digest“ das auflagenstärkste Monatsmagazin der Welt. In Deutschland erschien es erstmals vor 59 Jahren unter dem Namen „Das Beste“. Inzwischen ist die amerikanische Muttergesellschaft zu einem der größten global agierenden Direktmarketingunternehmen geworden. Auch bei Reader’s Digest Deutschland wurden die Verlagsaktivitäten mit zahlreichen Produktangeboten aus den Bereichen Schmuck, Wellness, Gesundheit, Finanzdienstleistungen und, seit knapp zwei Jahren, auch mit länder- und themenspezifischen Weinpaketen ergänzt.

Die Produkte werden potentiellen Kunden aus unterschiedlichen Zielgruppen ausschließlich über Direct-Mailings angeboten und per DHL zugestellt. Die gesamte logistische Auftragsabwicklung für mehrere Millionen Sendungen pro Jahr liegt bei Sigloch Distribution.

Logistikleiter Jürgen Herold wirft in seinem Büro im 3. Stock im Reader’s Digest Haus in Stuttgart-Mitte einen vollen Weinkarton auf den Boden. „Das ist die beste Kartonagen-Festigkeitsprüfung“, erklärt er. „Wegen der unterschiedlichen Flaschenmengen bei den Weinaktionen müssen wir zusammen mit Sigloch und dem Kartonhersteller jedes Mal eine neue Umverpackung entwickeln. Die muß PTZ-analog (Kartonagenprüfung des Post Technischen Zentralamtes) sein und garantieren, dass die Weinflaschen einen Fall aus einem Meter Höhe schadlos überstehen.“

Der Verpackungs-Stabilitätstest ist das Einzige, was darauf hinweist, dass sich in diesem Zimmer die logistische Steuerungszentrale von Reader’s Digest Deutschland befindet. „Wir haben im Haus kein Produktlager. Nicht einmal ein Lagerregal gibt es. Alles befindet sich in unserem Warehouse bei Sigloch“, erläutert der Logistikleiter die Outsourcing-Strategie der kompletten physischen Logistik.

Variantenreiche Weinpakete bedingen flexible Arbeitszeit

Seit den 50er Jahren ist dafür die Sigloch Distribution GmbH zuständig, die in Blaufelden und in Horsovsky Tyn (Tschechien) über 106 000 Palettenstellplätze und mehrere große Verarbeitungshallen verfügt. Dort werden alle Reader’s Digest-Sortimentsartikel, angefangen von Büchern, Hörbüchern, CD, DVD, Schmuckstücke bis hin zu den Aktionsweinen, gelagert, verpackt und versandt. Allein bei den Weinen können das manchmal bis knapp über 400 000 Flaschen sein.

Sie werden angeliefert, sobald der Postauflieferungstermin (PAL) für das Direct-Mailing feststeht, mit dem Reader’s Digest den Kunden Weinsortimente aus Österreich, Italien, Spanien, Frankreich oder aus aller Welt anbietet. Diese Weinpakete sind aktionsspezifisch bestückt. Die Variationsbreite reicht von drei Flaschen plus ein Decanter und zwei Weingläsern bis hin zu zehn Flaschen französischem Wein.

Verarbeitungsschritte müssen durchgehend erfolgen

Im Normalfall sind rund 1500 Paletten mit Wein und dem Verpackungsmaterial am Lager, sobald mit dem Rücklauf der Bestellungen aus dem Direct-Mailing zu rechnen ist. „Wenn sich die Anlieferung einer Weinsorte verzögert, dann müssen wir die zwei Schichten eventuell um eine Nachtschicht aufstocken und eventuell noch eine zusätzliche Wochenendschicht einplanen, denn die Verarbeitungsschritte – von der Kartonauffaltung über die Befüllung bis hin zur Etikettierung – müssen durchgehend erfolgen“, erläutert Bernd Hambrecht, zuständiger Großkundenbeauftragter bei Sigloch das Procedere.

Den Startschuss bilden die Abrufe von Reader’s Digest. Sigloch erhält die elektronischen Datensätze mit den Kundenadressen, die im Endlosverfahren mit einer Geschwindigkeit von 200 Bogen/min als Anschreiben, Rechnung und Überweisungsträger gedruckt, anschließend für die Vereinzelung geschnitten, gefalzt und kuvertiert werden. Jede Anschrift ist mit der Ident- und Leitcodierung und zusätzlich mit einer Kundencodierung für eine eventuelle Rücksendung versehen.

Inzwischen haben die rund zwei Dutzend Mitarbeiter der ersten Schicht ihre Positionen am Förderband eingenommen. Die planliegenden Umverpackungen werden als Karton aufgefaltet, die Inlay-Hülsen für die Flaschen aufgerollt und jeweils als drei zusammenhängende Gefachbahnen in den Karton eingesteckt. Sobald die Kartonunterseite verklebt ist, beginnt die Befüllung. Für jede Weinsorte ist ein Mitarbeiter zuständig. Hinter ihm stehen die Kartons des Weinlieferanten, aus denen er jeweils eine Flasche entnimmt und in die Hülse im Sortimentskarton stellt. Es muß zügig gehen, denn das Transportband läuft. Hinter den Befüllern stehen die Ver- und Entsorgungsteams. Während neue Weinkartons geöffnet und griffgerecht platziert werden, müssen die leeren Lieferkartons entsorgt werden. Sobald der Platz wieder frei ist, bringt ein Stapler die nächste Palette mit Weinkartons.

Nach den Flaschen werden die Beigabeartikel eingepackt

Nach der Flaschenbefüllung werden die unterschiedlichen Beigabeartikel in den Karton gepackt. Dann läuft er auf der Transportbahn durch das Verschließgerät und wird zum Abschluss an der Kaltleimmaschine manuell mit dem Adresskuvert belabelt. Erfolgt der Transport der Kartons zum Eingangsfrachtzentrum der Post in Kitzingen durch Lastzüge, kommen die Kartons danach auf Post-Rollbehälter, die in den Lkw geschoben werden. Wenn eine Wechselbrücke an der Verladerampe angedockt ist, werden die Kartons nach der Verschließung auf einer Palette in den Behälter gebracht, wo ein fünf- bis sechsköpfiges Team die Kartons belabelt, umhebt und sie in der Wechselbrücke stapelt.

Bis zu 30 Schichten sind für die Abarbeitung einer Reader’s Digest Weinaktion notwendig. Da eine Automatisierung der Arbeit nicht möglich ist, muss der größte Teil davon manuell durchgeführt werden. Sigloch-Geschäftsführer Klaus Vetter: „Wir scheuen uns nicht vor Handarbeit, wenn sie notwendig ist.“ Bernd Hambrecht ergänzt: „Die Sorgfalt, mit der unsere Mitarbeiter dabei arbeiten, ist beeindruckend. Bei fast einer Million Weinflaschen, die für Aktionen im Jahr verpackt werden, gehen höchsten zwei bis drei Flaschen kaputt.“

Die Zuverlässigkeit und die Flexibilität des Blaufeldener Dienstleisters schätzt man auch bei Reader’s Digest uneingeschränkt seit rund 50 Jahren. Logistikleiter Jürgen Herold umschreibt es so: „Für unser Fulfillment-Volumen können wir nur einen großen und leistungsstarken Dienstleister einsetzen. Die arbeiten allerdings sehr oft nach statischen Dispositions-Regeln und verlangen teilweise bis zu drei Wochen im Voraus etwaige Änderungsinformationen. Das ist für uns als Marketingunternehmen nicht realisierbar, denn wir müssen manchmal innerhalb von einer Stunde etwas ändern. Da müssen wir uns auf die Wendigkeit und Flexibilität des Dienstleisters verlassen können. Insofern ist für uns Sigloch der richtige Partner.“MM

Wolfgang M. Musiol ist freier Journalist in 60322 Frankfurt/Main, Tel. (0 69) 55 03 72, wmmusiol@t-online.de

(ID:210243)